Unter dem spannenden Motto „How to design a vibrant community” findet dieses Jahr Deutschlands größtes Designevent, die munich creative business week, statt. Unsere Autorin hat mit der Geschäftsführerin von bayern design und Veranstalterin der mcbw, Nadine Vicentini darüber gesprochen, was es braucht, pulsierende Gemeinschaften zu gestalten, und woran man gutes Design erkennt – auch im Alltag.
Die munich creative business week (mcbw) ist seit über zehn Jahren Deutschlands größtes Designevent und zentrale Plattform von bayern design. Neun Tage lang bringt sie Kreative, Unternehmen und Designinteressierte zusammen, fördert den interdisziplinären Austausch und macht die gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Bedeutung von Design erlebbar – jedes Jahr unter einem neuen Leitthema. Ein Gespräch mit der Geschäftsführerin von bayern design und Veranstalterin der mcbw, Nadine Vicentini.
Dieses Jahr läuft die mcbw unter dem Motto „How to design a vibrant community“. Wie kam es dazu?
Wir erhoffen uns mit den jeweiligen Jahresmottos, die gesellschaftliche Relevanz von Design greifbarer zu machen. How to design a vibrant community ist entstanden, weil wir wissen möchten, woran es liegt, dass wir Menschen nicht so richtig zusammen vorwärts gehen. Bei allen Differenzen muss es doch möglich sein, sich in grundlegenden Fragen auszutauschen. Deshalb stellen wir die Frage, was es im Kern bedeutet, eine pulsierende Gemeinschaft zu gestalten – und was Design dazu beisteuern kann, dass wir uns zusammengehöriger fühlen.
Es gibt zu diesem Motto drei Ansätze, die das Ganze etwas greifbarer machen.
Genau. Der erste Ansatz ist: Offenheit und Neugier. Mit einer offenen Haltung an Themen herantreten und neugierig auf das sein, was anders ist. Wenn man dies aufs Design übersetzt, kann man sagen, dass Designer*innen immer am Suchen und Ausprobieren sind und Dinge mit einem gewissen Spieltrieb anstupsen. Darin steckt viel Positives.
Auf die Neugier folgt die Gemeinschaft. Es gibt viele Beispiele aus der Quartiersentwicklung und Mobilität, denn wir alle haben unterschiedliche Bedürfnisse und da lautet die Frage: Wie bekomme ich das alles unter einen Hut? Es geht darum, Teilhabe zu ermöglichen.
Design generell macht Technologie erst greifbar – es übersetzt dieses abstrakte Konstrukt für uns Menschen.
Beim dritten Aspekt dreht sich alles um Menschlichkeit. Technologie wird immer präsenter, KI immer dominanter und wir müssen uns dabei fragen: Wie können wir in diesem Fortschritt das Menschliche betonen? Hierfür brauchen wir Empathie, also die Fähigkeit, die Situation eines anderen oder einer anderen zu erkennen und daran Anteil zu nehmen. Diese menschliche Komponente ist grundlegend, um Technologie zu vermitteln.
Wie kann Design ganz konkret Empathie fördern und das Menschliche betonen?
Design generell macht Technologie erst greifbar – es übersetzt dieses abstrakte Konstrukt für uns Menschen. Ein Beispiel aus der Demenzforschung: Hier wurde eine virtuelle Anwendung entwickelt, mit der man erleben kann, wie sich die Krankheit für betroffene Personen anfühlt. Alles, was einen Perspektivwechsel erzeugt, kann Empathie fördern.
Ein anderes schönes Beispiel ist das Refugee Olympic Team der Olympischen Spiele 2016, wo Flüchtlinge, die nicht für ihr Heimatland starten konnten, gemeinsam als Mannschaft eine Identität bekamen und antreten konnten.
Wie erkennt man gutes Design im Alltag, speziell mit dem Fokus auf Gemeinschaft?
Beim Begriff Design haben die meisten Menschen verständlicherweise einen schönen Stuhl oder ein großartiges Auto im Kopf. Deshalb verwenden wir lieber den breiter gefassten Begriff Gestaltung, denn es kommt auch auf die inneren Werte an. In Bezug auf Gemeinschaft zeichnet sich gute Gestaltung durch einen ganzheitlichen Ansatz aus; dass versucht wird, alle Nutzergruppen in Betracht zu ziehen – auch die, die man vielleicht nicht sofort auf dem Schirm hat. Im besten Fall ist die Gestaltung auch ressourcensparend und reparierfähig, sie sollte zudem nicht exklusiv, sondern breit gedacht werden. Und auch sollte das Design nicht (nur) Trends folgen, sondern eine gewisse Zeitlosigkeit und damit Beständigkeit mitbringen.
Zurück zur mcbw. Gibt es Highlights, auf die Sie sich ganz besonders freuen?
Bei der großen Vielfalt ist das eine schwierige Frage. Ich freue mich am meisten auf die besondere Atmosphäre; die Aufregung und quirlige Stimmung während der neun Tage. Weil im Mai das Leben wieder mehr draußen stattfindet, gibt es viele Aktionen im Freien, was die mcbw in der ganzen Stadt sichtbar macht. Zum Beispiel wird auf der Wiese vor der Alten Pinakothek eine Installation stehen, und zwar eine sehr lange Tafel, an der man Platz nehmen kann. Darüber werden Lichter hängen, die allerdings nur am Abend leuchten werden – und auch nur, wenn man ein Gegenüber hat!
Eine Idee für ein erstes Date!
Warum nicht? Auch daraus kann eine vibrant community entstehen! In den Fünf Höfen ermöglichen wir mit der niederländischen Designerin Noa Haim und ihrem Studio Collective Paper Aesthetic eine partizipative Aktion. Die von KURZ veredelten Pappmodule sind vorgefertigt und jede*r kann sie zusammenstecken und daraus zum Beispiel einen großen Kulturbaum gestalten. Aber natürlich gibt es auch viele Vorträge, Panels, Workshops, Ausstellungen und Events.
Im besten Fall ist Gestaltung ressourcensparend und reparierfähig, sie sollte zudem nicht exklusiv, sondern breit gedacht werden.
Eine Installation, die ich auf jeden Fall besuchen werde, ist die zum Thema Human AI von Fraunhofer im Deutschen Museum. Und die Workshop-Session mit dem Roboter-Anbieter ABB Robotics, der einlädt, sich zu fragen: Was macht das mit mir, wenn ein Roboter mit am Tisch sitzt?
Apropos Zukunft: Welche Trends sehen Sie in den kommenden Jahren im Bereich Gestaltung?
Das Thema KI wird ein ganz, ganz großes Thema sein. Viele aus der Branche vergleichen den Schritt jetzt schon mit dem Wandel, den die Industrialisierung im 19. Jahrhundert gebracht hat. Da stellt sich als Designer*in die Frage, wie man dieses neue Tool in den eigenen Kreativprozess einbauen kann, ohne selbst auf der Strecke zu bleiben.
Gleichzeitig haben wir Gestalter*innen eine Expertise, die nicht einfach so von einer Technologie übernommen werden kann, denn am Ende entscheidet immer noch der Mensch, welcher Lösungsweg gewählt wird. In diesem Umbruch steckt demnach die Überlegung hinsichtlich der eigenen Rolle, aber auch von Teamwork und Gemeinschaft.
Ich wünsche mir, dass wir diesen Fortschritt aktiv mitgestalten können und nicht gestalten lassen. Aber bei den großen geopolitischen Dynamiken fällt es mir manchmal schwer, positiv zu bleiben. Umso wichtiger, sich seiner Rolle bewusst zu werden. Das ist auch die grundsätzliche Aufgabe von bayern design: Wir zeigen, dass die Kreativen mit am Tisch sitzen müssen.
Was raten Sie diesen jungen kreativen Designer*innen und Gestalter*innen?
Den Mut, ihre Rolle einzunehmen. Und die Freude an der Gestaltung nicht zu verlieren, obwohl gerade so vieles zeitgleich passiert. Das kann anstrengend sein, weshalb es wichtig ist, immer wieder aus der Design-Bubble herauszutreten und nach draußen zu gehen. Wenn ich gefragt werde, wie wir das bei bayern design schaffen, dann ist meine Antwort immer: Wir sind überzeugt von den Themen und haben so viel Leidenschaft.