München reiht sich als Design-Hauptstadt Deutschlands ein in die Liga internationaler Zentren wie Barcelona, Mailand, Paris, New York, Tokio und Shanghai. Ein Überblick.
Hier leben und arbeiten die besten deutschen Designer*innen. Sie entwickeln Produkte und Konzepte für global agierende Konzerne und schaffen Dinge, die über den täglichen Gebrauch hinaus Begehren wecken und als Ikonen in Sammlungen aufgenommen wurden. Darüber hinaus ist in München eine lebendige Modeszene zu Hause. Die wichtigsten Persönlichkeiten der Designszene, sowie Vordenker*innen und Kunstschaffende kommen jedes Jahr für Gesprächsreihen und Ausstellungen zur Munich Creative Business Week zusammen.
Alle drei Jahre lobt die Stadt einen Designpreis aus. Den Designpreis der Landeshauptstadt München 2023 erhielt die in Ankara geborene Münchnerin Ayzit Bostan. Ihre Modestücke, Objekte und räumlichen Inszenierungen nutzt Bostan als Medien für popkulturelle Zitate, ironische Verweise und politische Botschaften. Ihr Label umfasst Kleidungsstücke, Taschen, Schmuck und ausgefallene Accessoires.
Zu den bisherigen Gewinner*innen des Designpreises gehören unter anderen die Designer Herbert H. Schultes (1938-2020), Ingo Maurer (1932-2019) und Alexander Neumeister sowie der Kunsthistoriker Florian Hufnagl (1948-2019), langjähriger Leiter der Neuen Sammlung in München oder der Schweizer Goldschmied und emeritierte Professor der Münchner Kunstakademie Otto Künzli. Mit seinen wegweisenden Arbeiten und durch seine Lehrtätigkeit hatte er entscheidenden Anteil daran, dass die Landeshauptstadt München heute weltweit als ein Zentrum des Autorenschmucks gesehen wird.
Prof. Dr. Angelika Nollert ist seit 2014 Direktorin der Neuen Sammlung – The Design Museum. Im Jahr 1925 gegründet, beherbergt das Museum, das zugleich die erste eigenständige Designsammlung der Welt ist, eine der umfangreichsten Kollektionen mit Produkt- und Industriedesign, Grafik, Textil, Glas, Keramik, Kommunikationsdesign, Computer Culture, Mobility oder Robotik. Die Neue Sammlung war Wegbereiterin dafür, dass industriell gefertigte Alltagsgegenstände heute musealen Rang genießen und wissenschaftlich erforscht werden. Sie zeigt die Relevanz von Design in seiner gesellschaftlichen und sozial-politischen Dimension.
Darf ein Museum nur Objekte zeigen? Nein, die neue Sammlung sammelt auch Geräusche. Mit der App Sound of Design können Telefonapparate, Küchengeräte, Motoren und vieles andere mehr aus unterschiedlichen Zeiten akustisch erfahren werden. Mit einem barrierefreien Programm, das analoge und digitale Vermittlungsebenen miteinander verzahnt, öffnet sich Die Neue Sammlung einem erweiterten Besucherkreis und aktualisiert damit ihren gesellschaftlichen Auftrag: Gute Gestaltung allen Menschen zugänglich zu machen.
2021 wurde mit dem X-Depot ein zusätzlicher Design-Schauraum im zweiten Untergeschoss der Pinakothek der Moderne eröffnet. Rund 600 Design-Stücke haben es aus den Tiefen des Depots der Samlung in die Regale des 600 Quadratmeter großen und sieben Meter hohen Raumes geschafft. Bei der Auswahl hat man unter anderem darauf geachtet, den Anteil der Objekte aus der Hand von Designerinnen hoch zu halten. Um größtmögliche Barrierefreiheit zu gewährleisten, gibt es dort alle erklärenden Texte nicht nur auf Deutsch und Englisch, sondern auch in leichter Sprache.
Mit ihrem Fundus von über 120.000 Objekten residiert Die Neue Sammlung seit 2002 in der Pinakothek der Moderne und zählt zu den stärksten Publikumsmagneten in Münchens Museumslandschaft. 2013 erwarb das Museum mit der Sammlung Höhne zusätzlich die wohl größte und bedeutendste Privatsammlung von DDR-Design. Mit der Schenkung von über 600 Werken afrikanischer Keramik durch Herzog Franz von Bayern konnte die Neue Sammlung ihren Sammlungsbestand Keramik spektakulär erweitern.
Anlässlich Ihres 100 jährigen Jubiläums 2025 zeigt Die Neue Sammlung eine Ausstellung von 100 Objekten. Die 100 Objekte spiegeln den Reichtum und die Vielfalt der Neuen Sammlung. Die Auswahl zeigt neben zahlreichen ikonischen Werken viele unbekannte Schätze, die bislang noch nie in der Pinakothek der Moderne zu sehen waren. Die ungewöhnliche Präsentation folgt nicht einer traditionellen Chronologie, sondern richtet den Blick auf die Zeit, in der die Objekte ins Museum gelangten. So ermöglicht die Sortierung nach Jahren der Erwerbung einen neuen Blick auf die Sammlungsgeschichte des Hauses. Wann wurde etwas gesammelt? Folgen die Erwerbungen neuen Erkenntnissen oder Moden? Wie haben sich die Sammlungsgebiete über die Jahre entwickelt? Die Präsentation bildet Tendenzen, Erkenntnisse und Einflüsse ab, um die Sammlung neu zu befragen und erlebbar zu machen.
Ingo Maurer, gefeierter Schöpfer von Lichtskulpturen, und Konstantin Grcic (inzwischen in Berlin tätig), einer der international gefragtesten Designer*innen haben betont, besonders die Gelassenheit und die Geselligkeit der Kulturmetropole für ihre Arbeit zu schätzen. Beide Designgrößen hatten Ausstellungen in der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne. Auch der Austausch mit den Kolleg*innen im Ausland lasse sich von hier aus bestens organisieren, denn der Münchner Flughafen bietet Direktflüge nach New York, Mailand, Barcelona, Shanghai und zu vielen anderen „Creative Hubs“ weltweit.
Weitere namhafte Künstler*innen wie Peter Naumann, Carina Deuschl, Marie Aigner, Thorsten Franck, Sami Ayadi, Jan Heinzelmann, Steffen Kehrle, Ana Relvao und Gerhardt Kellermann oder Stefan Diez, Unternehmen wie Factor Product München oder der Kommunikationsdesigner Mirko Borsche und sein Team haben ihre Büros und Ateliers an der Isar.
Sie designen Möbel, gestalten für die Industrie und für die Medien, entwerfen sowohl Dinge des täglichen Gebrauchs als auch Interieurs für Hotels und die Gastronomie. Diese Kreativen sind Stars auf ihrem Gebiet, ihre Ideen und Konzepte begeistern weltweit, auch wenn sie nicht die große mediale Bühne suchen und das Understatement im öffentlichen Auftritt pflegen.
Auch ihre jungen Kolleg*innen aus der Mode und dem Schmuckdesign halten sich dem Medienrummel weitgehend fern. Die schillernde Modewelt verbindet man gemeinhin mit Paris, Mailand oder New York. Aber auch hier kann sich München sehen lassen und das nicht nur im Dirndl. Es gibt hier weltberühmte Marken wie Escada und Bogner und Designerinnen wie Susanne Wiebe und Gabriele Blachnik mit bekannten Kundinnen aus dem Showbusiness oder der Wirtschaft.
Daneben überzeugen junge Fashion Designer*innen wie Ayzit Bostan und Marie Aigner, das international etablierte Duo Talbot Runhof, Natascha Muellerschoen, die junge Gruppe A Kind of Guise und Patrick Mohr, dessen Entwürfe die Grenzen der Mode ausloten. Für das junge München stehen auch die Modelabels Oska und Mykke Hofmann, die puristische Herrenmarke Hannibal oder Angelika Paschbeck, die in ihrem Atelier im Westend skurril bestickte Tücher entwirft.
Zu den erfolgreichen Kunstschaffenden, die ausgesprochen gern in München leben und arbeiten, zählen auch die Hutmacherin Nikki Marquardt sowie die Schmuckdesignerinnen Saskia Diez und Isabella Hundt.
Bayern hatte das Glück, dass viele seiner Könige Förderer der Künste und Wissenschaften waren. Diese auch musisch interessierten Herrscher bedachten im Lauf der Jahrhunderte ihre Hauptstadt mit Sammlungen aller Art, Theatern, großer höfischer Architektur sowie Instituten und Laboratorien.
Von dieser Passion zeugt heute noch Herzog Franz von Wittelsbach, der, gäbe es noch eine Monarchie in Bayern, Anwartschaft auf den Thron anmelden könnte. Als zurückhaltender und kenntnisreicher Sammler genießt er in der Welt der zeitgenössischen Kunst großen Respekt. Design und die sinnvolle wie formschöne Gestaltung von Dingen blieb lange der öffentlichen Auseinandersetzung entzogen, obwohl dieses Thema innerhalb des Bürgertums des 19. Jahrhunderts mit seinem wachsenden Wohlstand immer wichtiger wurde.
Der Umbruch zeichnete sich im Jahr 1897 ab mit der „VII. Internationalen Kunstausstellung“ im Münchner Glaspalast, unter deren Eindruck in München im selben Jahr die „Vereinigten Werkstätten“ gegründet wurden. Inspiriert vom englischen Arts and Crafts Movement, dem französischem Art-Nouveau-Stil und dem Deutschen Werkbund hatte sich dieser Zusammenschluss aus Handwerkern und frühen Industriedesignern der Entwicklung von Möbeln und Interieurs im Geist der noch jungen Moderne verschrieben.
Bekannte Designer wie Richard Riemerschmid und Peter Behrens arbeiteten für die „Vereinigten Werkstätten“; ihre Kund*innen war das anspruchsvolle und gut situierte Münchener Bürgertum, das Sinn für Neues hatte.
Später wurden an der Isar auch die Prinzipien des Bauhauses aufgegriffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich eröffnete der sachliche Stil der Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG) jungen Talenten nach dem verordneten Kitsch der Nazi-Zeit einen kreativen Neubeginn.
Otl Aicher, der zusammen mit seiner Frau Inge Aicher-Scholl die HfG begründet hatte, entwickelte für die Olympischen Spiele 1972 in München das Erscheinungsbild und schuf mit den innovativen Piktogrammen für die einzelnen Sportarten Bilderkürzel, die auch heute noch weltweit nachgeahmt und weiterentwickelt werden. Sein klares, reduziertes Kommunikationsdesign half übrigens auch im alten Münchner Flughafen in Riem bei der Orientierung.
In München ansässig sind auch zwei namhafte Werkstätten für Mosaik und Glasgestaltung: die 1847 gegründete Mayer’sche Hofkunstanstalt sowie die 1887 gegründeten Gustav van Treck Werkstätten.
Ein weiterer Grund für Münchens Anziehungskraft beim Thema Design ist die hohe Qualität seiner weiterführenden Schulen, die junge Leute aus dem In- und Ausland anlockt. Allein die Hochschule für angewandte Wissenschaften, kurz Hochschule München genannt, mit ihren rund 19.000 Studierenden hat eine hervorragende Fakultät für Design. Wer hier in unmittelbarer Nähe zu BMW und Siemens, den vielen hochspezialisierten Zulieferern und der Film- und Fernsehbranche studiert, schafft früh wichtige Kontakte für die berufliche Zukunft.
Einer der Absolventen war der 2021 verstorbene Clemens Weisshaar, zu dessen Kunden Unternehmen wie BMW, Prada und der Architekt Rem Koolhaas zählten. Mit einem repräsentativen Bau im Beaux-Arts-Stil des 19. Jahrhunderts und einem kühnen Neubau der Wiener Architektengruppe Coop Himmelb(l)au formt die Akademie der Bildenden Künste die Generation von morgen. Ihre aktuelle Präsidentin ist die Schmuckkünstlerin Karen Pontoppidan.
Die in München ansässige Danner-Stiftung hat sich die Förderung des künstlerischen Nachwuchses auf die Fahnen geschrieben. Alle drei Jahre, zuletzt 2023, verleiht sie den Danner-Preis für neue gestalterische Ideen und Entwicklungen im bayerischen Kunsthandwerk. Die Stiftung fördert Newcomer darüber hinaus durch Ankäufe von Schmuckarbeiten, durch Klassenwettbewerbe, Förderstipendien und vieles andere mehr.
Neben einer Reihe von ausgezeichneten privaten Fachschulen für Gestaltung und Grafikdesign in München bietet die Akademie der Gestaltung der Bayerischen Handwerkskammer Kurse an. Die älteste Schule, die das anspruchsvolle Schneiderhandwerk lehrt, ist die Meisterschule für Mode, zu deren Absolvent*innen zum Beispiel Ayzit Bostan gehört.
Zum Ausbildungsangebot der Landeshauptstadt zählt nicht zuletzt die Akademie Mode & Design. Dort werden zusätzlich Public Relations, Kommunikationsdesign und Modejournalismus unterrichtet.